Beim Reisen läuft nicht immer alles wie geplant, und auch ich habe auf meinen zahlreichen Abenteuern ein paar unschöne Erfahrungen gemacht. Angesichts der Vielzahl an Reisen, die ich bereits unternommen habe, kann ich mich jedoch glücklich schätzen, dass sich die negativen Erlebnisse in Grenzen halten. Die intensivsten Erfahrungen habe ich in Südamerika gemacht – dennoch würde ich jederzeit wieder auf diesen faszinierenden Kontinent reisen. Manchmal hat man einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Hier sind meine eindrücklichsten Reiseerlebnisse:
Überfall in Taganga (Kolumbien)
Eines der schlimmsten Reiseerlebnisse, das mich bis heute beschäftigt und nachhaltig geprägt hat, war ein Überfall im kolumbianischen Dorf Taganga. Es passierte gleich zu Beginn meiner fünfmonatigen Südamerikareise, als ich gerade einmal zwei Wochen mit meiner Schwester in Kolumbien unterwegs war. Wir hatten bereits fünf Nächte in dem kleinen Küstendorf verbracht, ohne dass etwas Auffälliges passiert wäre. Doch am letzten Abend änderte sich das schlagartig. Kurz vor Sonnenuntergang beschlossen wir, in einem kleinen italienischen Restaurant zu essen und uns ein paar köstliche Gerichte zu gönnen. Meine Schwester wollte sich später noch mit unserem kolumbianischen Guide treffen, der uns zuvor bei unserem Trek zur Ciudad Perdida begleitet hatte. Ich hingegen entschied mich, zurück ins Hostel zu gehen – es lag nur etwa 200 Meter entfernt. Doch kaum hatte die Dunkelheit eingesetzt, fiel mir auf, dass plötzlich niemand mehr im Dorf unterwegs war. Es wirkte, als hätten sich alle Bewohner in ihre Häuser zurückgezogen, um die Nacht abzuwarten. Obwohl mich ein ungutes Gefühl beschlich, redete ich mir ein: „Thomas, bleib ruhig. Es sind nur noch ein paar Meter bis zum Hostel.“ Ich bog in eine kleine, dunkle und menschenleere Gasse ein, und der Unbehagen wurde stärker. Trotzdem lief ich weiter. Plötzlich trat hinter einer Mauer ein junger Mann hervor – in der Hand ein Dolch, mit dem er direkt auf mich zukam.„Dumm gelaufen“, dachte ich nur, während mir sofort klar war, was passieren würde. Der Mann, nicht älter als 20 Jahre, bedrohte mich mit dem Dolch. Ohne zu zögern griff ich zitternd nach meinem Geldbeutel. Ich hatte oft genug gelesen, dass man sich in solchen Situationen nicht wehren sollte. Der junge Mann schnappte sich das Portemonnaie und verschwand in Richtung Mauer. Mein Pech: An diesem Abend hatte ich sowohl meine eigene Kreditkarte als auch die meiner Schwester in den Geldbeutel gesteckt – zusätzlich zu den 200 Euro, die ich kurz zuvor am Geldautomaten abgehoben hatte. Für den Angreifer ein echter Glücksfall. Verloren stand ich da und überlegte, ob ich wegrennen sollte. Doch der Respekt vor dem Mann mit dem Dolch hielt mich zurück. Ich beobachtete, wie er das gesamte Bargeld aus dem Portemonnaie nahm und in seine Taschen steckte. Zu meiner Überraschung kam er dann zurück. Für einen Moment dachte ich, das wäre mein Ende. Ich hatte erwartet, dass er mich nach dem Geld ausrauben und dann angreifen würde. Doch stattdessen klopfte er mir auf die Schulter, gab mir den leeren Geldbeutel – samt der Kreditkarten – zurück und rannte davon. Noch unter Schock bedankte ich mich reflexartig bei ihm (eine völlig absurde Reaktion, wenn ich jetzt darüber nachdenke) und ging benommen zurück ins Hostel. Dort angekommen war ich erleichtert, dass weder die Kreditkarten noch mein Fotoapparat, der sich in meiner Hosentasche befand, verloren gegangen waren. Der Angreifer hatte den Fotoapparat glücklicherweise übersehen. Die kolumbianischen Mitarbeiter im Hostel waren entsetzt, als ich ihnen von dem Vorfall erzählte, und versuchten, den Täter ausfindig zu machen – allerdings ohne Erfolg. Dieses Erlebnis hat mich nachhaltig geprägt. Seitdem bin ich deutlich vorsichtiger, besonders in abgelegenen oder menschenleeren Gegenden. Wenn mir jemand entgegenkommt, wechsle ich instinktiv die Straßenseite. Es hätte alles deutlich schlimmer enden können, und ich bin dankbar, dass ich mit dem Schrecken und einem leeren Geldbeutel davongekommen bin.
Überfall in Buenos Aires
Nach dem Überfall in Taganga war ich deutlich vorsichtiger geworden und konnte mehrere Monate durch Südamerika reisen, ohne erneut eine derartige Erfahrung machen zu müssen. Doch kurz vor Ende meiner Reise passierte es noch einmal – ausgerechnet in einer der schönsten Städte des Kontinents: Buenos Aires. Vielleicht war ich in dieser Nacht auch wieder etwas zu sorglos. Nach Monaten „on the road“ wollte ich in Buenos Aires das Leben feiern. Ich entschied mich, einen Club zu besuchen, in dem ich eine großartige Zeit hatte, ausgelassen tanzte und den Moment genoss. Der Club lag nur etwa einen Kilometer von meinem Hostel entfernt, und da ich mich in Buenos Aires sicher fühlte, ging ich den Weg zu Fuß. Der Hinweg verlief ohne Zwischenfälle, doch auf dem Rückweg sollte sich das ändern. Etwa 200 Meter vor meinem Hostel kamen mir drei Jugendliche entgegen, die nicht älter als 15 Jahre wirkten. Ich hatte sie schon aus der Ferne bemerkt und überlegt, ob ich die Straßenseite wechseln sollte. Doch ich zögerte. Würde das zu auffällig wirken? Andererseits hatte ich mir nach dem Vorfall in Taganga geschworen, in solchen Situationen lieber die Straßenseite zu wechseln. An diesem Abend tat ich es jedoch nicht – und das sollte ich bereuen. Als ich an den drei Jugendlichen vorbeiging, sprachen sie mich an. Ich ignorierte sie und wollte weitergehen, doch plötzlich packten mich zwei von ihnen an den Armen, während der dritte mich in den Schwitzkasten nahm. Einer der Jungs griff in meine Hosentasche und zog meinen Geldbeutel heraus. Im nächsten Moment ließen sie mich los und rannten davon. Zitternd stand ich allein in der dunklen Straße, noch völlig unter Schock. Ich musste die restlichen 200 Meter zum Hostel zurücklaufen, denn ein Taxi war nicht in Sicht, und ich hatte kein Handy dabei. Mein einziges Ziel war, schnell in Sicherheit zu sein. Glücklicherweise hatte ich aus dem Vorfall in Taganga gelernt und meinen Geldbeutel nur mit einem einzigen Schein bestückt, der etwa 20 Euro wert war. Kreditkarten, Ausweise oder andere Wertsachen hatte ich vorsorglich im Hostel gelassen. Der materielle Schaden war also minimal, doch dieser zweite Überfall setzte mir mental stark zu. Nach fünf Monaten in Südamerika beschloss ich, meine Reise vorzeitig zu beenden. Eigentlich hatte ich geplant, noch nach Brasilien zu reisen, doch die Sicherheitslage dort und die Angst vor einem weiteren Überfall ließen mich umdenken. Ich wollte kein weiteres Risiko eingehen – und so trat ich die Heimreise an.
Horror-Fahrt von Popayan nach Pasto (Kolumbien)
Zwei Tage vor Weihnachten 2010 wurde Kolumbien von starken Regenfällen und heftigen Überschwemmungen heimgesucht. Zu dieser Zeit befanden wir uns in der malerischen weißen Stadt Popayán, mit dem Plan, Weihnachten in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, zu verbringen. Um dorthin zu gelangen, mussten wir zunächst in die etwa 250 Kilometer entfernte Stadt Pasto reisen. Früh morgens machten wir uns auf den Weg zur zentralen Busstation von Popayán, um einen Bus nach Pasto zu nehmen. Doch an der Busstation herrschte Chaos. Menschenmengen drängelten sich an die Ticketschalter, während andere in Decken gehüllt auf Bänken oder direkt auf dem Boden lagen. Schnell wurde uns klar, dass etwas nicht stimmte. Wir versuchten, ein Ticket zu ergattern, doch es war unmöglich. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass wegen der Überschwemmungen seit zwei Tagen keine Busse mehr fuhren. Das erklärte auch die Massen an Menschen – viele wollten zu ihren Familien reisen, um Weihnachten gemeinsam zu feiern. Etwas genervt überlegten wir, wie es weitergehen sollte. Einfach länger in Popayán zu bleiben war keine Option, da unser Südamerika-Zeitplan recht eng getaktet war. Glücklicherweise bekamen wir bald einen hilfreichen Tipp: Es würden doch Busse nach Pasto fahren, allerdings zu einem doppelten Fahrpreis. Wir zögerten nicht lange und sicherten uns Tickets. Wenig später saßen wir in einem Bus, der sich nach und nach mit wohlhabenderen Kolumbianern füllte, denen der erhöhte Preis offenbar nichts ausmachte. Nach etwa einer Stunde Fahrt war plötzlich die Hauptstraße gesperrt, und der Busfahrer lenkte das Fahrzeug auf einen schlammigen Landweg. Der junge Mann, der uns die Tickets verkauft hatte, erklärte, dass der Bus keine offizielle Erlaubnis habe, nach Pasto zu fahren, und dass wir deshalb einen Umweg über abgelegene Bergdörfer nehmen würden. Der Bus kämpfte sich mühsam durch die schlammigen Wege, steckte mehrfach fest, und wir mussten wiederholt aussteigen, um das Fahrzeug zu entlasten. Jedes Mal, wenn ich dachte, der Bus würde endgültig steckenbleiben, schaffte er es wie durch ein Wunder, sich aus dem Matsch zu befreien. Stunden vergingen, und die Fahrt wurde immer beschwerlicher. Die wenigen Empanadas, die wir vor der Abfahrt gekauft hatten, waren längst aufgegessen, und der Hunger machte sich bemerkbar. Der Bus wackelte so stark, dass einigen Passagieren übel wurde. Das anfängliche Gefühl eines kleinen Abenteuers war längst verflogen, und ich hoffte inständig, nicht mitten im Nirgendwo übernachten zu müssen. Aus den geplanten fünf Stunden Fahrt wurden zehn, dann zwölf. Die Stimmung im Bus war zunehmend gedrückt, und auch unsere Nerven lagen blank. Nach 14 Stunden erreichten wir endlich wieder die Hauptstraße, und der ganze Bus brach in Jubel und Applaus aus – die Erleichterung war greifbar. Doch die Freude währte nicht lange. Kurz vor Pasto, etwa eine Stunde vor unserem Ziel, gerieten wir in einen riesigen Stau. Der Bus hielt an, und die Nachricht machte die Runde, dass die Polizei eine Straßensperre eingerichtet hatte. Es hieß, keine Fahrzeuge dürften weiterfahren und wir müssten wohl die Nacht im Bus verbringen. Die Stimmung war am Tiefpunkt. Nach einer weiteren Stunde Stillstand, in der ich mich bereits mit dem Gedanken an eine Nacht im Bus abfand, setzte sich der Bus plötzlich wieder in Bewegung – langsam, aber stetig. Schließlich erreichten wir die Polizeikontrolle, passierten sie ohne Probleme, und konnten die letzten Kilometer nach Pasto endlich mit normalem Tempo zurücklegen. Nach insgesamt 18 Stunden kamen wir erschöpft und ausgehungert am Busbahnhof in Pasto an. Glücklicherweise fanden wir schnell eine Unterkunft und einen geöffneten Fast-Food-Stand, der uns mit einer dringend benötigten Mahlzeit versorgte. Diese Busfahrt war ohne Frage eines meiner schlimmsten Reiseerlebnisse und wird mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben.
Gefangen im LKW-Laderaum in Mexiko
Im Jahr 2008 war ich fünf Wochen lang mit zwei Freunden und meiner Schwester in Mexiko unterwegs. Da wir alle noch Studenten waren, reisten wir so günstig wie möglich, übernachteten in Hostels und trampten, um von A nach B zu kommen. Obwohl man denken könnte, dass Trampen zu viert unmöglich ist, funktionierte es in Mexiko erstaunlich gut. Oft teilten wir uns eine Strecke auf und fuhren in drei verschiedenen Autos weiter – mal im Kofferraum, mal draußen auf der Laderampe, und manchmal auch ganz normal auf den Rücksitzen eines PKWs. Sogar die mexikanische Polizei hielt gelegentlich Autos für uns an! Durch das Trampen lernten wir viele nette Mexikaner kennen und hatten unterwegs großartige Gespräche. Alles lief reibungslos – bis zu einer besonderen Nacht. Wir trafen zwei LKW-Fahrer, die bereit waren, uns bis zu unserem Ziel mitzunehmen. Der Haken: Wir müssten im Laderaum mitfahren, da die Koje für uns vier nicht genug Platz bot. Naiv und abenteuerlustig wie wir damals waren, stiegen wir ein. Die Türen des Laderaums schlossen sich, und der LKW setzte sich in Bewegung. Schon nach ein paar Minuten schauten wir uns an und merkten, dass diese Idee vielleicht nicht die klügste gewesen war. Der Laderaum war von der Fahrerkabine komplett getrennt, wir waren eingesperrt, und es gab keinen Weg, uns bemerkbar zu machen. Zwar waren wir von Soda-Flaschen und Chips umgeben, sodass es an Verpflegung nicht mangelte, aber die Situation fühlte sich alles andere als sicher an. Als die Straße immer kurvenreicher wurde, wurden wir durch den Laderaum geschleudert. Einer meiner Freunde wurde richtig übel, und auch meiner Schwester ging es zunehmend schlechter. Nach anderthalb Stunden Fahrt begannen wir zu schreien, um die Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass sie anhalten sollten. Doch der Laderaum war so gut isoliert, dass wir uns nicht sicher waren, ob sie uns überhaupt hörten. Irgendwann, nach weiteren 30 Minuten, hielt der LKW plötzlich an. Mein Herz begann zu rasen. Instinktiv griff ich in meinen Rucksack und zog mein Taschenmesser hervor – in meinem Kopf spielte sich das schlimmste Szenario ab: Würden sie uns angreifen? Die Türen des Laderaums öffneten sich, und die beiden Fahrer brachen in schallendes Gelächter aus. Einer meiner Freunde sprang aus dem LKW und übergab sich direkt am Straßenrand. Nach und nach kletterten auch wir anderen heraus, völlig erschöpft und erleichtert, wieder frische Luft zu atmen. Wir erklärten den Fahrern, dass wir definitiv nicht noch einmal hinten einsteigen würden. Doch dann standen wir da, mitten im Nirgendwo. Es war stockdunkel, und wir hatten keine Ahnung, wo wir uns befanden – Smartphones hatten wir damals noch nicht. Die beiden LKW-Fahrer waren verständnisvoll und boten uns an, zu viert in der Koje mitzufahren. Doch unser Freund, dem so schlecht geworden war, weigerte sich strikt weiterzufahren. Er wollte lieber im Dunkeln warten, bis ein Bus vorbeikäme – eine Aussicht, die für uns alle noch weniger akzeptabel war. Nach einer längeren Diskussion schafften wir es schließlich, ihn fast schon mit sanfter Gewalt in die Koje zu bugsieren. Am frühen Morgen erreichten wir endlich unser Ziel: die wunderschöne Playa Escondido. Erleichtert, aber erschöpft, schworen wir uns, nie wieder in einem LKW-Laderaum mitzufahren. Dieses Erlebnis bleibt uns allen jedoch für immer in Erinnerung – als eine Geschichte, die wir heute mit einem Schmunzeln erzählen, aber damals mehr als nur einmal unser Herz schneller schlagen ließ.